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Darf ich mit meinem Kind in die Türkei in den Urlaub? Benötige ich hierfür die Zustimmung/das Einverständnis des anderen Elternteils?

OLG Frankfurt: Keine Alleinentscheidungsbefugnis eines Elternteils für Türkeiurlaub mit Kind im Sommer 2016

Bei gemeinsamer elterlicher Sorge unterfällt die Entscheidung, mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei durchzuführen, unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen nicht der Alleinentscheidungsbefugnis des § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB.

Hält der andere Elternteil eine solche Urlaubsreise für zu gefährlich, kann dies unter den gegenwärtigen Umständen einer Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB auf den die Reise beabsichtigenden Elternteil entgegenstehen.

Der Fall:
Die Kindesmutter beabsichtigt, in den Sommerferien 2016 mit ihrem 8-jährigen Sohn einen Badeurlaub in der Türkei zu unternehmen. Der Flug soll von Frankfurt a.M. nach Antalya und zurück erfolgen. Die Kindeseltern sind geschieden und haben ein gemeinsames Sorgerecht.
Im Mai 2016 hatte die Mutter den Kindesvater um Zustimmung zur beabsichtigten Reise gebeten.

Dieser versagte die Zustimmung jedoch, da er eine Türkeireise vor dem Hintergrund der politischen Lage und einer eventuellen Terrorgefahr zu gefährlich für das Kind hielt.
Die Kindesmutter leitete daraufhin ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim AG mit dem Antrag ein, die Zustimmung des Kindesvaters zu der Reise zu ersetzen.
Dem ist der Kindesvater entgegen getreten. Das AG hat nach Durchführung eines Anhörungstermins im Wege der einstweiligen Anordnung der Kindesmutter die Befugnis übertragen, über die Durchführung der Türkeireise alleine zu entscheiden (§ 1628 BGB).
Die geplante Urlaubsreise stelle angesichts der im Raume stehenden Möglichkeit von terroristischen Anschlägen keine alltägliche Angelegenheit, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar, weshalb es der Übertragung der Entscheidungsbefugnis bedürfe, um die Reise durchführen zu können. Die Entscheidungsbefugnis sei der Mutter zu übertragen, da dies dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Im Übrigen sei der Vater auch nicht bereit gewesen, einen finanziellen Beitrag für einen Urlaub in einer eventuell weniger gefährdeten Region mit gleichem Komfortstandard zu leisten.

Hiergegen wandte sich der Kindesvater und machte geltend, dass sich durch die Ereignisse, die nach der Beschlussfassung in der Türkei stattgefunden haben, die Gefährdung für das Kind durch eine solche Urlaubsreise noch konkreter geworden sei. Es fehle ihm auch nicht an der Bereitschaft, einen finanziellen Beitrag für eine Umbuchung zu leisten, ihm würden vielmehr die finanziellen Mittel hierzu fehlen. Die Kindesmutter wies darauf hin, dass es keine Sicherheitswarnung des Auswärtigen Amtes hinsichtlich Reisen in die Ferienregion gebe. Daran habe sich auch durch den Putschversuch nichts geändert.

Auf die Beschwerde des Kindesvaters hat das OLG die Wirksamkeit des Beschlusses des AG hinsichtlich der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Kindesmutter einstweilig ausgesetzt.

Die Gründe:
Es besteht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass auf die Beschwerde des Kindesvaters, die gem. § 57 S. 2 i.V.m. §§ 58 ff. FamFG zulässig ist, die angefochtene Entscheidung nach den gegenwärtigen Verhältnissen nicht aufrechtzuerhalten ist. Anders als das Familiengericht hält der Senat die nachteiligen Folgen für das Kindeswohl, die ein Nichtantritt des Urlaubs mit sich bringt, für weniger gravierend als die möglichen Folgen, die eine Durchführung der Urlaubsreise haben kann.

Bei gemeinsamer elterlicher Sorge unterfällt die Entscheidung, mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei durchzuführen, unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen nicht der Alleinentscheidungsbefugnis des § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB. Hält der andere Elternteil eine Urlaubsreise des Kindes in die Türkei für zu gefährlich, kann dies unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen einer Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB auf den die Reise beabsichtigenden Elternteil entgegenstehen.

Maßgeblich ist zunächst, ob sich die Haltung der Eltern als Ausübung der Elternverantwortung darstellt. Dass es der Elternverantwortung entsprechen kann, von der Reise abzusehen, ist unabhängig von einer etwaigen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes zu beurteilen, die sich nach ganz anderen Kriterien richtet und dabei auch volkswirtschaftliche und diplomatische Auswirkungen im Blick hat.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse in der Türkei kann die Haltung des Kindesvaters nicht als schikanöse Intervention abgetan werden. Auch wenn die Mutter die Sorge des Vaters nicht teilt und als sicher davon ausgeht, dass die Reise gefahrlos durchgeführt werden kann, bedeutet dies nicht, dass die Befürchtungen des Vaters von vornherein unbegründet sind. Die Regierung der Türkei hat inzwischen den Ausnahmezustand ausgerufen. Es ist als Folge des Putschversuchs zu Massenverhaftungen sowie zu Regierungsentscheidungen gekommen, die für eine Vielzahl von Betroffenen in der Türkei von existenzieller Bedeutung sind. Bei dieser Sachlage besteht eine konkrete Gefahr, dass es in der Türkei zu Unruhen kommen kann, die auch Auswirkungen auf die Urlaubsregionen haben können.

OLG Frankfurt a.M. 21.7.2016, 5 UF 206/16



Eingestellt am 03.08.2016 von J. Heims
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