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Gemeinsames Sorgerecht: Mindestmaß an Kommunikationsfähigkeit erforderlich

Problemfall Sorgerecht

"Wenn aus Liebe Hass geworden ist und ein Elternteil für den anderen nur noch Verachtung erkennen lässt, ist das gesetzliche Leitbild des gemeinsamen Sorgerechts für minderjährige Kinder praktisch nicht umsetzbar."

So jedenfalls sieht es das KG Berlin. In dem zu Grunde liegenden Fall hatte das im Jahre 2007 geborene Kind der nicht verheirateten Eltern von Anfang an im Haushalt der Mutter gelebt. Der Vater hatte bis Februar 2008 regelmäßig Verbindung zu seinem Sohn, dann war die Mutter nach Berlin gezogen. In der Folgezeit unterhielt der Vater nur begrenzt Kontakt; weder zur Taufe seines Kindes noch zum Geburtstag ließ er sich blicken.

Die Mutter ignorierte er fast völlig. In gelegentlichen Mails vermied er jedes Grußwort und auch die persönliche Ansprache der Kindesmutter. Er teilte lediglich in sachlich neutraler Form seine Umgangswünsche mit. Schließlich beantragte er die Einräumung des gemeinsamen Sorgerechts.

Kindesvater stützt sich auf das Verfassungsgericht

Unter Heranziehung der grundsätzlichen Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2010 (BVerfG Urteil v. 31.7.2010, 1 BvR 420/09) vertrat er die Auffassung, dass ihm aufgrund der bestehenden sozialen Bindung zu seinem Sohn ein Recht auf Übertragung der gemeinsamen Sorge zustünde. Die Beziehung zur Mutter stellte er als neutral dar und vertrat die Ansicht, in der Lage zu sein, mit dieser gemeinsam zu rechtlich tragfähigen Entscheidungen für das Kind zu kommen.

Kein Bemühen des Vaters erkennbar

Sowohl das Familiengericht auch das zweitinstanzlich mit der Sache befasste KG vermissten das Bemühen des Vaters um Herstellung einer Kommunikationsebene mit der Mutter. Nach den Feststellungen der Richter war die Kommunikation zwischen den beiden Elternteilen geprägt von einer abgrundtiefen Verachtung des Vaters gegenüber der Kindesmutter. Vorschläge der Richter zur Durchführung einer Mediation bzw. der Inanspruchnahme fachlicher Beratung wies der Kindesvater zurück, während die Mutter mit solchen Hilfestellungen einverstanden gewesen wäre. Nach Auffassung der Richter ließ der Vater jede Bemühung vermissen, mit der Kindesmutter eine auch nur einigermaßen tragfähige Kommunikationsebene zu finden.

Hinweis: Mindestmaß an Kommunikationsbereitschaft ist unabdingbar

Das KG stellte klar, dass die grundsätzliche Fähigkeit zur Kommunikation auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 Voraussetzung für die Übertragung des gemeinsamen Sorgerechts ist. Nur wenn die Eltern in der Lage seien, anstehende Entscheidungen wie den Kindergarten- oder Schulbesuch sachlich zu erörtern und einvernehmliche Regelungen zu finden, sei eine dem Kindeswohl dienende gemeinsame Ausübung des Sorgerechts denkbar. Sei demgegenüber zu erwarten, dass die Kindesmutter und der Kindesvater künftig bei wesentlichen Entscheidungen wiederholt die Gerichte bemühen würden, so diene dies nicht dem Kindeswohl. Wenn ein Kind immer wieder in gerichtliche Verfahren hineingezogen würde, so könne dies im Gegenteil zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Kindeswohls führen.

Das KG nahm die seit dem 19.5.2013 geltende neue Rechtslage zum gemeinsamen Sorgerecht als Maßstab. Gemäß der Neuregelung des § 1626 a BGB ist das gemeinsame Sorgerecht der Normalfall. In Abweichung von der früheren Regelung muss nicht mehr positiv festgestellt werden, dass das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl entspricht, vielmehr ist bei bestehender Veranlassung nur negativ zu prüfen, ob Gründe des Kindeswohls einem gemeinsamen Sorgerecht entgegenstehen. Einen solchen schwerwiegenden Negativgrund sahen die Richter in der fehlenden Kommunikationsbasis der Eltern. Bereits im zurückliegenden Umgangsrechtsverfahren hätten die Eltern unter Austausch wechselseitiger Beleidigungen so gestritten, dass eine einigermaßen sinnvolle Verständigung auch in Zukunft nicht zu erwarten sei. Im Gegensatz zur Kindesmutter tue der Antragsteller sich dadurch hervor, dass er jeden sinnvollen Vorschlag, mit Hilfe fachlicher Beratung die Kommunikationsebene zu verbessern, ablehne. Unter diesen Umständen sei die Ausübung eines gemeinsamen Sorgerechts unter Beachtung des Kindeswohls schlichtweg ausgeschlossen.

KG, Beschluss v. 15.5.2013, 18 UF 215/11



Eingestellt am 31.10.2013 von J. Heims
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